Vernehmlassung Nachrichtendienstgesetz

Die Piraten haben ihre Stellungnahme zur Vernehmlassung zum geplanten Nachrichtendienstgesetz [1] eingereicht.

Die Piratenpartei kritisiert eine Vielzahl von Ausweitungen der Befugnisse des Nachrichtendienstes. Einige Vorstösse sprengen definitiv den Rahmen dessen, was wir Schweizer unter demokratischen Grundsätzen und Rechtsstaatlichkeit verstehen. Im Folgenden wird nur auf die schwerwiegendsten Punkte eingegangen:

  • Nachträgliche Legalisierung der Massenüberwachung unzähliger Schweizerinnen und Schweizer
  • Weitergabe grosser Datenmengen ins Ausland und damit potentielle Speicherung auf ewig
  • Ausweitung der Überwachung auf Journalisten, Ärzte, Priester, Anwälte und weitere bislang geschützte Berufsgruppen.
  • Ausdehnung der Kabelaufklärung
  • Die „Unabhängige“ Aufsichtsbehörde bleibt das Schosshündchen des VBS

In Anbetracht der Aussage des Bundes bei der letzten Verschärfung, dass zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch mehr Überwachung kommen soll tönt heute wie ein Hohn: Jetzt sollen sogar bereits durchgeführte illegale Überwachungen nachträglich legalisiert werden.

Jorgo Ananiadis, Präsident der Piratenpartei, äussert sich deshalb zu Art. 5, Abs. 6 [2]:
„Unzählige Menschen wurden in den letzten Jahren vom NDB fichiert, nur weil sie ihre politischen Rechte wahrgenommen haben und sich beispielsweise kritisch in der Vernehmlassung zum letzten Nachrichtendienstgesetz geäussert haben. Anstatt solchen Missbrauch abzustellen, soll dies jetzt legalisiert und damit auch den Betroffenen das Rechtsmittel genommen werden.“

Darüber hinaus ermöglicht der Gesetzgeber neu, dass der Nachrichtendienst sämtliche von ihm gesammelten Daten auf ewig speichern kann. Mit Art. 45 Abs. 4 [2] dürfte der NDB in Zukunft sämtliche Daten an ausländische Dienste weitergeben, um überhaupt erst die nachrichtendienstliche Relevanz festzustellen. Diese Datenweitergabe ist nicht zu rechtfertigen, da die Schweiz über Daten, welche ausländischen Geheimdiensten zur Verfügung gestellt werden, keine Kontrolle mehr hat. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Daten, auch wenn diese in der Schweiz gelöscht wurden, weiterhin in ausländischen Archiven gespeichert werden. Schon seit Jahren ist bekannt, dass die Schweiz als Tier-B «focused cooperation»-Partner zum engsten Kreis der Geheimdienste um NSA und Five Eyes gehört [3].
Seit mehr als einem Jahrzehnt werden von diesen Geheimdiensten enorm grosse Datenmengen gespeichert [4,5].
Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Löschung von Daten dort erfolgt, noch dass die Schweiz eine solche Löschung verlangen kann.

Philippe Burger, Vizepräsident der Piratenpartei kommentiert dies:
„Erst wird erlaubt Abermillionen komplett zu überwachen und dann wird dem NDB eine sehr gut versteckte Hintertür ins Gesetz eingebaut, diese Daten auf ewig wieder von ausländischen Nachrichtendiensten abzurufen. Wir sollten uns fragen, wieso will der Staat auf ewig alles von uns wissen?“

Ein weiterer Dammbruch ist die Ausweitung der Überwachung auf Journalisten, Ärzte, Priester, Anwälte und weitere bislang geschützte Berufsgruppen. Dass der bisherige Art. 28 Abs. 2 sang- und klanglos einfach gestrichen und dies auch erst im erläuternden Bericht erwähnt wird, stellt schon einen Skandal an sich dar.

Jorgo Ananiadis: „Wir Piraten fordern aus gutem Grund schon seit Jahren eine Art github [6] für die Gesetzgebung – so dass jede Änderung einfach zu sehen ist, aber auch sichtbar wird, wer diese Änderung eingefädelt hat. Diese gut versteckte Streichung eines Schutzartikels ist ein Paradebeispiel, wie der Gesetzgebungsprozess nicht ablaufen sollte.“

Des Weiteren soll in Art. 41 Abs. 3 die Fristen für Kabelaufklärung, sprich das Ausleiten sämtlichen Datenverkehrs eines Internetanschlusses, von 6-9 auf 12-18 Monate verdoppelt werden.
Bei jeder einzelnen Kabelaufklärung kommt es mit grösster Wahrscheinlichkeit zu einem Eingriff in den Kernbereich der Privatsphäre. Sie ist deshalb per se schon abzulehnen, in jedem Falle aber nicht noch grosszügiger zu erlauben.
Die im erläuternden Bericht gebrachten Argumente vermögen angesichts dessen in jedem Fall nicht für eine Verlängerung, also eine Ausweitung der Verletzung, zu überzeugen:
Begründet wird die Verlängerung u.a. damit, dass sich “die Nachrichtenbedürfnisse nicht im Rhythmus von drei Monaten” änderten, dass sich die Schweiz bei der Kabelaufklärung noch auf Neuland bewege und der Wissensaufbau Zeit beanspruche. Bei Neuland macht es aber umso mehr Sinn, jeden Schritt genau anzuschauen. Eine kürzere Kontrollfrist ist auch für den Wissensaufbau wünschenswert, da fehlgeleitete Ressourcen schneller wieder neu zugeteilt werden können, und wie schnell sich der Rhythmus ändert, scheint bestenfalls Spekulation, da wir hier ja, wie im Bericht selbst geschrieben, von Neuland sprechen. Eine Verlängerung der Fristen macht also im Gegenteil wenig Sinn.

Für die Piraten ist es natürlich auch besonders interessant, welche Teile des bestehenden Nachrichtendienstgesetzes nicht geändert werden. Hierbei sticht vor allem die „Unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten“ (AB-ND) hervor.

Jorgo Ananiadis: „Wenn eine solche Behörde explizit als „unabhängig“ bezeichnet wird, klingeln die Alarmglocken! Beim AB-ND ist natürlich glasklar, dass diese alles andere als unabhängig ist.“ 

Ab Art. 75 [7] werden im aktuellen NDG die gesetzlichen Grundlagen für die «unabhängige» Aufsichtsbehörde des Nachrichtendienstes (AB-ND) beschrieben. Es ist offensichtlich, dass eine Behörde, welche wie der NDB im VBS angesiedelt ist (Art. 77) und deren Leitung durch den VBS vorgeschlagen wird (Art. 76 Abs. 2), nicht unabhängig ist und somit auch seine Aufgabe, die Kontrolle des NDB, nicht befriedigend wahrnehmen kann.

„Die AB-ND ist als Feigenblatt spezifiziert worden, denn die Abhängigkeiten sind eklatant. Keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus – genau deshalb ist die „Unabhängige“ Aufsichtsbehörde als solche Fehlkonstruktion geschaffen worden, dass der NDB machen kann, was er möchte – und es ist gewollt, dass das so bleibt.“ bringt Philippe Burger diese Blendung der Bevölkerung auf den Punkt.

Für die Piratenpartei knüpft die Vorlage an den massiven Ausbau der Massenüberwachung der Bevölkerung an. Allein in den letzten Monaten wurden die Grundlagen gelegt für eine Chatkontrolle (VÜPF) [8] und die Überwachung des Reiseverhaltens von Passagieren [9]. Und in der geplanten E-ID sollen biometrische 3D-Gesichtsmodelle aller Schweizerinnen und Schweizer angelegt und zentral gesammelt werden [10].

Abschliessend freut sich die Piratenpartei darüber, bei ihrem nächsten Auskunftsbegehren beim Nachrichtendienst diese Vernehmlassungsantwort in ihrer Fiche vorzufinden.

Die Vernehmlassung im Wortlaut finden Sie hier

Quellen:
[1] https://www.fedlex.admin.ch/de/consultation-procedures/ongoing#https://fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2022/15/cons_1
[2] https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2022/15/cons_1/doc_1/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-dl-proj-2022-15-cons_1-doc_1-de-pdf-a.pdf
[3] https://www.elmundo.es/espana/2013/10/30/5270985d63fd3d7d778b4576.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/XKeyscore-oder-die-totale-Informationshoheit-3399943.html 
[5] https://www.theguardian.com/world/2013/jul/31/nsa-top-secret-program-online-data 
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/GitHub
[7] https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2017/494/de#chap_6/sec_2
[8] https://www.piratenpartei.ch/2022/05/21/vernehmlassungsantwort-vuepf-ermoeglicht-chatkontrolle-in-der-schweiz-digitales-briefgeheimnis-in-gefahr/
[9] https://www.piratenpartei.ch/2022/07/28/vernehmlassung-flugpassagierdatengesetz-ablehnung-der-vorlage-durch-die-piratenpartei/
[10] https://www.piratenpartei.ch/2022/06/29/vernehmlassungseroeffnung-e-id/

 

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