Echte Modernisierung des Urheberrechts nötig, statt dem Ausbau der Repression

Obwohl die Piratenpartei schon lange auf eine Urheberrechtsreform drängt, verheisst die Ankündigung des Bundesrates, das Urheberrecht «an die Realität des Internets anpassen» zu wollen, nichts Gutes. Die Piraten rufen die Regierung auf, die kulturzerstörende Wirkung des heutigen Urheberrechts zu analysieren und Schritte hin zu einer Befreiung der Kultur aus den Fängen einiger weniger Konzerne einzuleiten. Eine verstärkte repressive Durchsetzung des veralteten Urheberrechts ist keine Modernisierung. Die im Raum stehende Überwachungspflicht der Provider und Netzsperren sind inakzeptable Grundrechtseingriffe mit verheerenden Auswirkungen.

Das heutige Urheberrecht wirkt sich hemmend bis zerstörend auf das Kulturschaffen aus, es entrechtet die Künstler und Autoren und bewirkt dadurch das Gegenteil dessen, was eigentlich ihr ursprüngliches Ziel war. Eine echte Modernisierung ist dringend nötig und müsste nach den Vorstellungen der Piraten folgende Punkte umfassen (Kleiner Hint: Die Abschaffung des Urheberrechts ist NICHT darunter):
  • Zitatrecht zu einem Recht auf Remix ausbauen: Mehr denn je gilt in der heutigen Kultur: Everything is a remix. Neue Werke bauen auf bestehenden auf. Das Zitatrecht soll ausgebaut werden zu einem Recht auf Remix, damit solcher Kunst nicht mehr massiv Steine in den Weg gelegt werden. Beispielhafte Werke der Remix-Kultur sind im Remix-Museum ausgestellt.
  • Verbot von missbräuchlichen Methoden der Content-Industrie: Konsumenten wurden in den letzten Jahren zunehmend zu problematischen Methoden und Produkten genötigt. Beispiele: Musik-CDs mit Rootkits resp. Trojanern, die Computer zerstörten; DVDs mit minutenlangen Kriminalisierungswarnungen, die nicht übergangen werden können; Pseudo-Kopierschutzmechanismen, die das Recht auf Privatkopie oder Wiederverkauf torpedieren; Lizenzverträge beim Medien-„Kauf“, die eher einer Miete mit Knebelvertrag entsprechen, E-Books die weder kopiert, weitergegeben noch ausgedruckt werden können; u.v.m. Konsumentenschutz muss in einem modernen Urheberrecht berücksichtigt sein.
  • Verwaiste Werke wieder zugänglich machen: In den Bücherregalen klafft eine riesige «Lücke des 20. Jahrhunderts», weil Rechteinhaber während der viel zu langen Schutzfrist ihre Werke verwaisen lassen. Ein neues Urheberrecht muss diese Werke wieder erhältlich machen. Die Piraten schlagen dafür eine Verkürzung der Schutzfristen vor. Da diese jedoch in internationalen Verträgen zementiert sind, sind andere Lösungen zur Verhinderung von verwaisten Werken zu finden.
  • Creative Commons auch für Suisa-Mitglieder ermöglichen: Mitgliedern von Verwertungsgesellschaften, insbesondere der Suisa und der Swissperform, ist es nicht erlaubt, einen Teil ihrer Werke mit einer freieren Lizenz bereitzustellen. Gerade aufstrebenden Künstlern böten zum Beispiel die Creative-Commons-Lizenzen grossartige Möglichkeiten, den Nutzern ihrer Werke massgeschneiderte Rechte einzuräumen. Den Verwertungsgesellschaften ist zu verbieten, ihre Macht zu missbrauchen und die Rechte der Künstler derart einzuschränken.
  • Total-Buy-out-Verträge verbieten: Künstler, Autoren und Journalisten werden oftmals nur Total-Buy-Out-Verträge angeboten, mit denen sie jegliche Rechte an späterer Wiederverwendung ihrer eigenen Werke und jegliche Kontrolle über sie verlieren. Die Piraten wollen die Rechte der Urheber stärken, indem sie das Recht auf spätere Zweitverwertung auf jeden Fall behalten.
  • Nichtkommerzielles Filesharing erlauben: Die Kriminalisierung von Musik- und Filmkonsumenten wegen privatem Tausch von Werken muss beendet werden, denn sie löst keine Probleme. Kultur findet heute auch im Netz statt und lässt sich nicht mehr einsperren. Die Kriminalisierung ist unverhältnismässig und untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat.
  • Bibliothek neu denken: Die Idee der Bibliothek, nämlich Kultur und Wissen zu archivieren und für alle zugänglich zu machen, sollte in die digitale, vernetzte Welt hinübertransportiert werden. Das Internet bietet hervorragende Möglichkeiten, diese Ideale noch viel besser umzusetzen, als es herkömmliche Bibliotheken tun können.
Die Piratenpartei bedauert ausserordentlich, dass der Bundesrat für fortschrittliche Lösungen kein Gehör hat. Stattdessen beruft er sich auf die Ergebnisse der «Arbeitsgruppe Urheberrecht» (AGUR12), bei welcher sowohl Grundrechts-Organisationen wie auch Internet-Provider ausgeschlossen waren. Wenig verwunderlich ist daher, dass die Umsetzung der AGUR12-Vorschläge verheerende Auswirkungen hätte:
  • Es würde eine staatliche Internetzensur eingeführt. Der Zugang zu missliebigen Internetseiten würde gesperrt, womöglich gar ohne öffentliche und richterliche Kontrolle.
  • Die Provider würden zu Hilfssheriffen, die ohne Richtersprüche Inhalte entfernen müssten. Dem sogenannten Copyfraud würde damit Tür und Tor geöffnet, weil dadurch die Beweislast umgekehrt würde und die Urheber beweisen müssten, dass ihr Werk keine Urheberrechtsverletzung darstellt.
  • Die Provider müssten ihre Kunden überwachen und der Abmahnindustrie ausliefern. Das Fernmeldegeheimnis würde dadurch gebrochen, und missbräuchliche Abmahnungen wären vorprogrammiert.
  • Die Provider würden dabei von jeglicher Haftung befreit, was bedeutet, dass die Internetnutzer und Urheber immer am kürzeren Hebel sässen und sich gegen missbräuchliche Löschungen und Sperren kaum zur Wehr setzen könnten.
Mit diesen massiven Eingriffen sind die vom Bundesrat übernommenen AGUR12-Vorschläge völlig inakzeptabel. Sie würden einzig den Anwälten nützen. Es wäre naiv zu glauben, durch die Massnahmen würden die Menschen dazu animiert, mehr Geld für Kultur auszugeben. Das Ziel, die Verbreitung der Werke wieder kontrollieren zu können, würde auch mit den AGUR12-Vorschlägen nicht erreicht. Die alten Geschäftsmodelle werden nicht gerettet. Dafür würden eine Menge der Probleme, die bereits im Ausland bekannt sind, in die Schweiz importiert. Die Verlierer einer solchen Gesetzesrevision wären die Kultur, die Grundrechte und die Innovation. Die Piratenpartei ruft alle Beteiligten dazu auf zu verhindern, dass eine solche Lose-lose-lose-Situation eintritt.

Medienreaktionen

Die NZZ hat am 11. Juni 2014, 09:55 folgenden Beitrag in ihrer Onlineausgabe publiziert: Streit ums Urheberrecht im digitalen Zeitalter «Staatliche Zensur-Infrastruktur»

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