E-ID-Referendum zu Stande gekommen!

Die Bundeskanzlei teilt heute mit, dass das Referendum gegen das E-ID-Gesetz zu Stande gekommen ist. Die Piratenpartei Schweiz (PPS) als Referendumsführerin und als kritische Stimme der ersten Stunde zeigt sich erfreut über diesen demokratischen Erfolg. Die Schweizer Bevölkerung wird nun voraussichtlich am 28. September an der Urne erneut über das die elektronische Identität entscheiden können.

Die PPS hat bereits am Tag der Vernehmlassungseröffnung, am 29.06.2022, ihre Kritik am Gesetz dargelegt (Medienmitteilung [1] und SRF-Tagesschau [2]) und eine ausführliche Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren eingereicht. Unsere Experten wurden darauf zur Anhörung in die Nationalratskommission geladen [3], wo wir unsere roten Linien nochmals erläutern durften. Da die meisten davon im vorliegenden Gesetz überschritten wurden beschloss die Piratenpartei [4], das Referendum zu ergreifen [5].

Die Gründe, weshalb die PPS eindringlich vor den Folgen des E-ID-Gesetzes warnt:

1. Vorgetäuschte Freiwilligkeit – Faktischer Zwang durch Anwendungsbereiche und Gebühren
2. Vorgetäuschte Gründe  – Bestehende Lösungen für Behördendienste
3. Datenabfluss an Unternehmen – Kommerzielle Interessen statt Bürgerschutz
4. Exzessive Datensammlung – Unnötige Speicherung besonders schützenswerter Daten
5. Unsicherer Online-Prozess – Erhöhtes Risiko für Identitätsdiebstahl

1. Vorgetäuschte Freiwilligkeit – Faktischer Zwang durch Anwendungsbereiche und Gebühren

Obwohl der Bund die E-ID als freiwillig bewirbt, deuten verschiedene Gesetzesvorhaben, politische Diskussionen und insbesondere das BGEID auf eine schleichende Pflicht hin. Das neue Jugendschutzgesetz schreibt eine Altersverifikation aller Nutzer von Video- und Gamingplattformen [6] vor  und ein SocialMedia-Verbot für Jugendliche würde einen Ausweiszwang für alle bedingen. Ein Vorstoss im Bundeshaus verlangt die Identifizierung aller Kommentatoren auf Nachrichtenseiten [7], mit dem geplanten VÜPF (Art. 16 und 19) [8] sollen Messenger wie Threema ihre Nutzer identifizieren und aktuell soll sogar eCollecting nur mit einer E-ID möglich sein [9].
De Facto wird die E-ID schrittweise zur Voraussetzung für die Nutzung des Internets und die Ausübung demokratischer Rechte, was die Frage nach der tatsächlichen Freiwilligkeit aufwirft.

2. Vorgetäuschte Gründe  – Bestehende Lösungen für Behördendienste

Viele der angeführten Gründe für die E-ID halten einer kritischen Prüfung nicht stand.
Behördendienstleistungen wie Steuererklärungen, Baugesuche und Kita-Gutscheine können bereits jetzt über die vom Bund und den Kantonen entwickelte AGOV-Lösung [10] abgewickelt werden. Auch ein Jugendschutz wäre damit realisierbar. Im Gegensatz zur E-ID ist AGOV vollständig staatlich und unabhängig von privaten Unternehmen wie Google oder Apple. Wir brauchen dafür keine E-ID.

3. Datenabfluss an Unternehmen – Kommerzielle Interessen statt Bürgerschutz

Der vorherige Punkt verdeutlicht, dass die E-ID primär für die Bedürfnisse von Privatunternehmen konzipiert scheint. Das BGEID erlaubt es Unternehmen zudem explizit, bei Transaktionen umfassende Personendaten inklusive Gesichtsbild zu verlangen. Dies führt dazu, dass sensible persönliche Informationen bei jeder simplen Nutzung an Unternehmen weitergegeben werden. Plattformen wie YouTube, Instagram oder TikTok könnten damit ihre Nutzer zweifelsfrei identifizieren, umfassend überwachen und die gesammelten Daten analysieren, verknüpfen und für ihre eigenen kommerziellen Zwecke nutzen. Die Verknüpfung detaillierter psychologischer Profile aus sozialen Medien mit den Daten des Schweizer Passes wäre für Werbegiganten äusserst wertvoll. Zudem würde die E-ID Onlinebetrug und Identitätsdiebstahl für Cyberkriminelle sogar noch erleichtern. Im Fall von TikTok fliessen die Daten sogar an den chinesischen Staat.
Auch die weiteren Ansinnen (siehe Punkt 1) alltägliche Handlungen mittels E-ID zu überwachen führt dazu, dass es vollkommen normal wird, sich im Internet dauernd auszuweisen.
Die E-ID wird Ausweiszwang im Internet durchsetzen [11].

4. Exzessive Datensammlung – Unnötige Speicherung besonders schützenswerter Daten

Beim Online-Ausstellungprozess muss man ein Gesichtsvideo einsenden [12], aus dem ein biometrischer 3D-Gesichtsabdruck erstellt werden kann. Diese sensiblen Daten sollen bis zu fünf Jahre nach Ablauf der E-ID gespeichert werden. Es besteht die reale Gefahr, dass diese biometrischen Daten später für die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum eingesetzt werden könnten oder bei einem Cyber Vorfall Kriminellen in die Hände fallen. Diese massive Sammlung besonders schützenswerter Daten ist unnötig und äusserst bedenklich, da ein Gesicht im Gegensatz zu einem Passwort nicht geändert werden kann!
Besonders stossend ist Artikel 31 des BGEID [13], der Kantonen Gebühren für Bürger ohne E-ID erlaubt. Eine klare finanzielle Diskriminierung von Menschen mit geringem Einkommen.

5. Unsicherer Online-Prozess – Erhöhtes Risiko für Identitätsdiebstahl

Jüngste Vorfälle, bei denen Online-Ausstellungsverfahren von Banken durch Sicherheitsexperten kompromittiert wurden, zeigen die gravierenden Sicherheitsrisiken. Genau dieses Szenario droht auch bei der E-ID, was Kriminellen potenziell massenhaften Identitätsdiebstahl aller Schweizer Bürgerinnen und Bürger ermöglichen würde.

Fazit: Nein zur aktuellen E-ID

Das aktuelle BGEID genügt weder den Ansprüchen an Freiwilligkeit noch an Datensparsamkeit und Sicherheit. Stattdessen beliefert es Unternehmen mit unseren Daten und schafft gleichzeitig die Grundlagen für umfassende Überwachungsmassnahmen. Die Hauptgründe für die Ablehnung der E-ID in der ersten Abstimmung waren Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Datenschutz [14] und diesen Bedenken wird in der neuen Fassung keine Genüge getan.

Eine E-ID, die die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt und den Datenschutz konsequent berücksichtigt, könnte durchaus Vorteile bringen. Hierfür ist jedoch ein grundlegend anderer Ansatz erforderlich, der unnötige Datensammlungen vermeidet. Deshalb kämpfen wir Piraten weiterhin entschieden gegen das vorliegende E-ID-Gesetz und setzen uns für eine verantwortungsvolle Datenpolitik in der Schweiz ein.
Deshalb sagen wir NEIN zu dieser E-ID.

Bereits bei unserem Referendum im 2021 lehnte die Schweizer Bevölkerung an der Urne die E-ID mit 64.4 Prozent deutlich ab. Der Hauptgrund waren Bedenken zu Sicherheit und Datenschutz [14]. Für den zweiten Anlauf wurde ursprünglich eine datensparsame, auf die Privatsphäre der Bürger Rücksicht nehmende E-ID garantiert.

Pascal Fouquet, Vizepräsident der Piratenpartei Bern: „Uns wurde eine E-ID im Interesse der Bevölkerung versprochen. Bekommen haben wir das Gegenteil, ein weiteres Instrument zur Datensammlung – für Staat und Wirtschaft. Weder bei der Ausstellung noch bei der Anwendung ist sie ausreichend datensparsam. Darum sagen wir jetzt klar NEIN zur E-ID!“

Renato Sigg, Vorstandsmitglied Piratenpartei Schweiz „Aus Sicht der Piratenpartei stehen Nutzen und Risiko in keinem Verhältnis. Nicht nur wirtschaftlichen Interessen, sondern auch dem Machtstreben anderer Akteure im In- und Ausland muss mit der gebotenen Vorsicht begegnet werden.“

Die PPS ist die einzige gesamtgesellschaftliche Organisation, die dieses gefährliche Gesetz ablehnt. Wir werden die kritische Stimmen aus der bürgerlichen oder linken Bevölkerung in den nächsten Monaten mittragen.

Jorgo Ananiadis, Präsident Piratenpartei Schweiz: „Alle anderen Parteien nehmen die Risiken der E-ID billigend in Kauf und sagen Hauptsache eine E-ID. Es wird für uns Piraten ein Kraftakt sein, die Bevölkerung zu überzeugen – aber die Argumente liegen klar auf unserer Seite.“

Alexis Roussel, ehemaliger Co-Präsident der Piratenpartei Schweiz: „Mit dieser Abstimmung erhält das Schweizer Volk eine zweite Chance, sich gegen aufgezwungene Technologien zu wehren. Jetzt geht es darum, die Digitale Integrität der Menschen auf Bundesebene zu schützen.“

Wir danken allen engagierten Menschen, die beim Zustandekommen des Referendums mitgeholfen haben.

Quellen:
[1] https://www.piratenpartei.ch/2022/06/29/vernehmlassungseroeffnung-e-id/
[2] https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-29-06-2022-hauptausgabe?urn=urn:srf:video:44d27c99-fc66-41ad-9e21-f080b9979d77
[3] https://www.piratenpartei.ch/2024/01/22/teilnahme-anhoerung-rechtskommission-nr-zur-e-id/
[4] https://projects.piratenpartei.ch/projects/agenda/wiki/PPS-PV-24-10-20#8698-Beschluss-%C3%BCber-ein-Referendum-gegen-das-neue-E-ID-Gesetz-D%C3%A9cision-sur-un-r%C3%A9f%C3%A9rendum-contre-la-nouvelle-loi-e-ID
[5] https://www.piratenpartei.ch/2025/01/10/piratenpartei-ergreift-das-referendum-gegen-das-e-id-gesetz/
[6] https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2022/2406/de#art_20
[7] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20234530
[8] https://www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2022/21/cons_1/doc_1/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-dl-proj-2022-21-cons_1-doc_1-de-pdf-a.pdf
[9] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20243851
[10] https://www.agov.admin.ch/
[11] http://www.ausweiszwang-nein.ch/
[12] https://www.youtube.com/watch?v=epW4xEqr3mw&t=689s
[13] https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2025/20/de#art_31
[14] https://archive.ph/o/EMUyU/https://vox.gfsbern.ch/wp-content/uploads/2021/04/d_vox_schlussbericht_def.pdf

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