Vernehmlassung Verordnung über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (VPMT)

Stellungnahme zur Verordnung über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (VPMT) (Vernehmlassung 2021/30)

Vorbemerkungen

  • Wir Piraten erachten es in höchstem Masse bedenklich, dass nun nachweislich, entgegen u.a. den Beteuerungen von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, absichtlich die Terrorismusdefinition komplett aufgeweicht wurde, und damit potentiell jeder politische Gegner mit dem PMT bekämpft werden kann. Wir zitieren hierzu die Kommissionsantwort auf die Parlamentarische Initiative 21.455 (Präzisierung der Definition der „terroristischen Aktivität“ im Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus).
  • „In den Augen der Kommissionsmehrheit würde eine explizite Erwähnung der Gewaltanwendung in der Terrorismus-Definition dem Zweck des PMT zuwiderlaufen, da das Gesetz eben gerade die Verfolgung von gewaltfreien terroristischen Aktivitäten ermöglichen soll“ [1]
  • Diese Entkopplung von Gewalt gibt es in keinem westlichen Land, sondern nur in repressiven Staaten wie Saudi-Arabien. Der Bundesrat wird deshalb dringlich dazu angehalten die Forderungen des Geschäfts 21.455 umzusetzen.

Stellungnahme zur Verordnung über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus

Gerne nehmen wir zur wie folgt Stellung:

  1. Echtzeitüberwachung
    1. Fehlende gesetzliche Grundlage

    Die Verordnung sieht in Art. 28 Abs. 5, Art. 56 Abs. 1 lit. b und bbis und Art. 68a VÜPF die Echtzeitüberwachung von terroristischen Gefährdern vor. Dabei stützen sich die genannten Artikel auf Art. 23q Abs. 3 BWIS, wonach die für den Vollzug zuständige Behörde die für die Mobilfunklokalisierung erforderlichen Randdaten des Fernmeldeverkehrs nach Art. 8 lit. b des BÜPF einfordern kann. Diese Randdatenerfassung ist für die Verwendung im Strafprozess geschaffen worden. Dieselben Daten sollen nun aber künftig über einen knappen Verweis in einem völlig anderen – präventiven – Zusammenhang verwendet werden. Die im Entwurf der VPMT vorgesehene Möglichkeit, die Randdaten zur Echtzeitüberwachung zu nutzen, findet weder mit Art. 23q BWIS noch mit Art. 8 lit. b BÜPF oder mit der Verbindung dieser beider Artikel eine genügende gesetzliche Grundlage.

    Die ohnehin heikle Durchbrechung der ursprünglichen Zweckbindung der Erfassung der Randdaten muss auf das beschränkt bleiben, was sich aus dem vom Gesetzgeber verabschiedeten Bundesgesetz zu Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus ergibt. Die Verordnung muss sich insoweit auf klare Bestimmungen im Gesetz abstützen können. Eine weitere Aufweichung der Zweckbindung auf Verordnungsstufe ist nicht zulässig. Im PMT findet sich jedoch keine Bestimmung, welche die Nutzung von Randdaten zur Echtzeitüberwachung der angeordneten Massnahmen nach Art. 23l–23o BWIS ausdrücklich zulässt und genau umschreibt, in welchen Fällen diese zur Anwendung gelangen darf. Dadurch entsteht die Gefahr, dass ein Artikel (Art. 23 q BWIS), der primär der nachträglichen Überwachung der Einhaltung von Massnahmen dient, umfunktioniert wird zu einer zusätzlichen und sehr invasiven Massnahme, namentlich der Echtzeitüberwachung. Für diese Funktionsverschiebung bietet das PMT keine genügende gesetzliche Grundlage.

    Dies deckt sich mit den Ausführungen, welche in der Botschaft zum PMT in Bezug auf den Zweck der Erhebung von Daten zur Lokalisation von Personen gemacht werden: Die Botschaft hält explizit fest, dass im Rahmen des “Electronic Monitoring” (Fussfesseln) auf ”eine permanente Überwachung des Aufenthaltsorts und der räumlichen Bewegungen in Echtzeit (aktive Überwachung)” (BBI 2019 4751, S. 4799) verzichtet wird. Die aufgezeichneten Bewegungsdaten bei Fussfesseln, die vor allem für die Überwachung des Hausarrests, der einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt, angewendet werden, können damit lediglich nachträglich ausgewertet werden. A fortiori, sollte bei einer Mobilfunklokalisierung, die eine breitere Anwendung findet – insbesondere bei Rayonverboten und räumlichen Eingrenzungen – und keiner richterlichen Aufsicht untersteht, keine Überwachung in Echtzeit möglich sein.

    • 2. Mangelnde Verhältnismässigkeit und Notwendigkeit der Echtzeitüberwachung

    Gemäss menschenrechtlichen Standards ist gezielte Überwachung von Personen nur dann gerechtfertigt, wenn sie auf der Grundlage eines begründeten Verdachts und im Einklang mit dem Gesetz erfolgt, zur Erreichung eines legitimen Ziels (wie dem Schutz der nationalen Sicherheit oder der Bekämpfung schwerer Straftaten) unbedingt erforderlich ist und in einer Weise durchgeführt wird, die in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel steht und nicht diskriminierend ist.

    Eine retroaktive Überwachung, wie sie bisher im PMT vorgesehen war, soll die Einhaltung der anderen Massnahmen sicherstellen und bedarf eines Verdachts, der die Behörden zu einer ad hoc Kontrolle veranlasst. Die Echtzeitüberwachung stellt im Gegensatz dazu einen viel schwereren Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Person und ihrer Nächsten dar. Eine derartige Überwachung würde nicht nur die Einhaltung der Massnahme überprüfen, sondern darüber hinaus die Kontrolle jeglicher Bewegungen einer Person ermöglichen. Mit dem nicht zuvor im Gesetzgebungsprozesses angekündigten Einsatz der Echtzeitüberwachung, wird also über die Hintertür eine neue Massnahme eingeführt, die bisher nicht im Massnahmenkatalog des PMT erwähnt wurde. Noch schwerer wiegt, dass für diese Art der Überwachung weder die Notwendigkeit noch die Verhältnismässigkeit gegeben wäre. Solange das Ziel das Sicherstellen der Einhaltung anderer Massnahmen ist, genügt eine retroaktive Überwachung – eine Echtzeitüberwachung ist damit in jedem Fall nicht zu rechtfertigen.

    Die Mobilfunküberwachung in Echtzeit würde es ermöglichen die betroffenen Personen 24 Stunden am Tag auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Betroffene könnten in ihrem Alltag konstant beobachtet werden, beispielsweise, wenn sie an einer Demonstration oder an religiösen Veranstaltungen teilnehmen. Menschen, die wohlgemerkt keiner strafrechtlichen Tat verdächtigt werden muss, würden sich scheuen, ihren gewohnten Aktivitäten nachzugehen und damit in der Ausübung ihrer Grundrechte massiv eingeschränkt. Die Anwendung dieser unverhältnismässig invasiven Überwachungsmethode – ausserhalb einer informierten öffentlichen Debatte – bedeutet nicht nur, dass gewisse Personen Gefahr laufen, jegliche Privatsphäre und Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum zu verlieren, sondern sie setzt auch andere Rechte wie die Meinungsäusserungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit aufs Spiel.

    Auf die Echtzeitüberwachung in Art. 28 Abs. 5, Art. 56 Abs. 1 lit. b und  bbis und Art.  68a VÜPF ist somit mangels gesetzlicher Grundlage und Verhältnismässigkeit zu verzichten. Es wird beantragt, diese Artikel zu löschen.

    1. Fehlende Aufsicht bei Bearbeitung von Personendaten

    Gemäss Art. 29q JANUS-Verordnung soll das Bundesamt für Polizei fedpol sicherstellen, dass keine Personendaten unrechtmässig bearbeitet werden. Es entspricht nicht der Logik der Gewaltenteilung, dass jene Behörde (fedpol), welche eine Handlung vornimmt (Betreiben und Verwenden des Datenindex und Bearbeitung der Personendaten), sich dabei auch selbst kontrolliert.

    Art. 29q JANUS-Verordnung muss dahingehend ergänzt werden, dass das Betreiben und Verwenden des Datenindex sowie die Bearbeitung von Personendaten durch eine unabhängige Stelle kontrolliert wird, die sich nicht unter demselben Dach wie das fedpol befindet.

    Des Weiteren verbietet dieser Artikel auch die Verwendung anderer Tools als des Tools für den Abgleich von Terrismusdaten für die Zwecke von Art. 29p. Der neue Wortlaut soll nun dem Stand der Technik entsprechende Technologien erlaubt werden, was eine gefährliche Öffnung der dazumal wohlbegründeten, eng gefassten Erlaubnis darstellt. Diese Erweiterung muss unbedingt gestrichen werden. Ausserdem stellt das Zugänglichmachen der Daten auf ein im Intranet zugänglichen Systems ein potentielles Risiko für unbefugte Zugriffe dar. Die zu treffenden Vorkehrungen müssen in höchstem Masse dem für die Betroffenen entsprechend notwendigen Datenschutz getroffen werden. Infolgedessen muss die Verordnung um die genauen Technologien, Sicherheitsmassnahmen und Vorschriften zu Zugangsrechten und Protokollierung aller durchgeführten Datenverarbeitungen ergänzt werden.

    1. Kompetenz zur Anordnung von Massnahmen innerhalb des fedpols

    Es gibt keine Bestimmung, die festlegt, wer innerhalb vom fedpol befugt ist, Entscheidungen über präventivpolizeiliche Massnahmen zu treffen. Im Strafverfahren gibt es Bestimmungen, die festlegen, wer Zwangsmassnahmen anordnen kann. So muss beispielsweise eine vorläufige Festnahme, die länger als drei Stunden dauert, von einem Beamten eines bestimmten Ranges genehmigt werden (Art. 217 und 198 Abs. 2 StPO).

    In Anbetracht der Dauer dieser Massnahmen und der Schwere ihrer Folgen für das Leben der Betroffenen sollte nur eine besonders hochrangige Person in der Lage sein, sie anzuordnen. Dies ermöglicht auch eine kohärente Praxis, insbesondere im Hinblick auf die Auslegung der im Gesetz verwendeten (sehr) unbestimmten Rechtsbegriffe.

    Nur der/die Direktor/in des fedpol sollte befugt sein, Massnahmen im Rahmen des PMT zu erlassen.

    1. Bescheinigung über Identität und Staatsangehörigkeit

    Gemäss Artikel 3a der Verordnung über die Wahrnehmung kriminalpolizeilicher Aufgaben im Bundesamt für Polizei stellt das fedpol der betroffenen Person nach Anordnung eines Ausreiseverbots für die Dauer der Massnahme einen Ersatznachweis über die Staatsangehörigkeit bzw. die Identität aus. Gemäss dem erläuternden Bericht soll die betroffene Person abgesehen vom Ausreiseverbot in ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeit nicht beschränkt werden. Sie solle weiterhin berechtigt sein, etwa eine Wohnung zu mieten, zu heiraten oder ein Abonnement abzuschliessen.[1]

    Da im Ersatznachweis erwähnt werden soll, dass die betroffene Person die Schweiz nicht verlassen darf, ist für Dritte ersichtlich, dass sie von den Behörden als gefährlich eingestuft wird. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Person auch mit diesem Ersatznachweis Schwierigkeiten haben wird, ihre Rechte wirksam wahrzunehmen. So ist es beispielsweise leicht vorstellbar, dass ein Vermieter sich weigert, eine Wohnung an eine Person zu vermieten, die von den Behörden als Gefährder erachtet wird. Darüber hinaus ist es möglich, dass diese Bescheinigung, sofern sie kein echtes Identitätsdokument im Sinne des Gesetzes darstellt, von bestimmten Organisationen, die ein amtliches Identitätsdokument verlangen, abgelehnt wird. Folglich wird dieser Nachweis wahrscheinlich nicht die Wirksamkeit der Rechte ihres Inhabers oder ihrer Inhaberin garantieren.

    Es muss daher in der Verordnung ausdrücklich vorgesehen werden, dass Ersatznachweise die gleiche Beweiskraft haben, wie jedes andere Ausweisdokument und der betroffenen Person keine Nachteile durch das Dokument entstehen dürfen. Das Ausreiseverbot darf im Ersatznachweis nicht erwähnt werden.

    1. Zugänglichkeit der Rechtsbestimmungen für Rechtsunterworfene

    Eine gesetzliche Bestimmung, welche einen Eingriff in Grundrechte erlaubt, muss hinreichend bestimmt sein. Die dem Gesetz unterworfenen Personen müssen sich ein zureichendes Bild davon machen können, welche Befugnisse die betreffende gesetzliche Bestimmung dem Staat einräumt und wie sich dies auf ihre Grundrechte auswirkt. Zahlreiche Bestimmungen der VPMT, etwa Art. 56 Abs. 1 lit. b oder Art. 68a VÜPF, sind ausgesprochen technisch und zu komplex, als dass sie von den durchschnittlichen Rechtsunterworfenen verstanden werden können. Gerade bei den neu eingeführten Überwachungstypen RT_24_TEL_IRI und ML_50_RT ist für die Rechtsunterworfenen nicht ersichtlich, was deren Rechtsfolge ist. Es ist namentlich nicht nachvollziehbar, welche Daten in diesen Fällen erhoben, gespeichert und bearbeitet werden und welche Daten, die dann mit diesen Überwachungstypen abgegriffen werden können, die Rechtsunterworfenen mit der Nutzung welcher Kommunikationsgeräte erzeugen. Die Bestimmungen der VPMT erfüllen damit das Bestimmtheitserfordernis nicht.

    Schlussbemerkungen

    Wir beschränken uns in dieser Stellungnahme auf unsere Kernanliegen. Bei Verzicht unsererseits auf umfassende allgemeine Anmerkungen oder auf Anmerkungen zu einzelnen Regelungen, ist damit keine Zustimmung durch die Piraten zu solchen Regelungen verbunden.

    Quellen:

    [1] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20210455

     

    Die Vernehmlassung als pdf

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