Geldspielgesetz – Auftrags-Studie der Uni Bern wird für tendenziöse JA-Kampagne missbraucht

In der Abstimmungsbotschaft zum Geldspielgesetz, aber auch in der von den Befürwortern geführten Kampagne und sogar im Faktencheck zur SRF-Arena von letzter Woche wird immer wieder auf eine Studie der Universität Bern verwiesen [1]. Dabei wird insbesondere das Ertragsvolumen des „illegalen“ Online-Geldspielmarkts auf 250 Millionen Franken genannt. Leider werden bezüglich dieser Studie auch weitere Aussagen gemacht, welche unhaltbar sind, denn viele Grundlagen und Daten sind nicht fundiert und limitierende Hypothesen wurden durch den Auftraggeber vorgegeben.
Diese 250 Millionen, die uns entgehen sollen, müssen ernsthaft angezweifelt werden.

Dazu einige Hinweise:

  • Die Studie wurde im Auftrag des Bundesamtes für Justiz erstellt. Sie „wäre ohne die Unterstützung von Institutionen und Personen nicht möglich gewesen“ [Titelblatt]. Leider wird nirgends deklariert, wer denn diese Institutionen und Personen genau sind – Vermutungen dürfen angestellt werden. Klar deklariert wird in der Studie dagegen, dass die befragten Experten zum Grossteil aus der Schweizer Casino- und Lotteriebranche kommen [Seite 44].
  • Die Forschungshypothese und der Rahmen dieser Studie wurden vom Bundesamt für Justiz vorgegeben: Gemäss dem Pflichtenheft der Offertanfrage [Seite 2] wurden die Steuerbefreiung von Gewinnen, Konzessionserweiterungen für Schweizer Spielbanken und Netzsperren mittels „IP-Blocking“ zur Marktabschottung als Hypothesen vorgegeben [Seiten 10-11]. Bezüglich Netzsperren wurde nie ein entsprechender Spezialist mit technischem Hintergrund befragt.
  • Die Studie sagt klar aus, dass die verwendete Datenbasis sehr unzuverlässig ist [Seite 22]: „Die Verlässlichkeit dieser Daten lässt sich entsprechend nicht prüfen. Jüngst publizierte Daten lassen vermuten, dass damit auch politische Ziele verfolgt werden.“
  • Die Datenbasis der Studie ist in sich auch nicht immer schlüssig [Seite 35]: „Es existieren verschiedene, z.T. kontroverse Angaben bzw. Aussagen darüber, inwieweit ein attraktives legales Geldspielangebot illegale Angebote konkurrenzieren könne…“.
  • Zahlreiche weitere Daten wurden von den Schweizer Interessenvertretern gleich mitgeliefert, denn sie kommen aus den Arbeitsgruppen „Geldspiel-Besteuerung“ und „Online-Glücksspiele“ der Schweizer Casino- und Lotteriebranche [Seiten 24, 27, 28, 31, 33 etc.].
  • Die Studie enthält Behauptungen ohne wissenschaftlich haltbaren Beleg [Seite 35]: „In Frankreich gelang es, das illegale Online-Sportwettenangebot innert kurzer Zeit auf 15–20% Marktanteil zurückzudrängen“ mit der Quellenangabe „Aussage des Präsidenten von Française des Jeux in: Visseyrias (2011)“. Eine einzige verbale Aussage wird hier also als Fakt verkauft.
  • Praktisch quer durch das ganze Dokument wird von „illegalen“ Angeboten oder Märkten ausgegangen, obwohl Online-Geldspiele bisher ein unregulierter Markt sind und solche Anbieter noch nie von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurden. Eine klar tendenziöse Grundhaltung der Studie im Sinne des Auftraggebers ist durchgängig erkennbar.
  • In der Studie oder Kampagne wird auch niemals eine Relation hergestellt zu anderen Märkten, beispielsweise zu den abfliessenden rund 10 Milliarden beim Einkaufstourismus. Der Schweizer Casino-Markt ist diesbezüglich also recht unbedeutend.
  • Unabhängig von den tatsächlichen Erträgen beim Online-Geldspiel wäre davon nur die Spielbankenabgabe von 40-80% wahr, welche „uns“ entgehen könnte.

Die Studie basiert also auf sehr ungenauen Schätzungen, Aussagen und Daten der Schweizer Casino- und Lotterie-Branche und unzähligen Annahmen und Hypothesen. Das Argument des Bundesrates und der Casino-Lotterie-Branche zu „abfliessenden 250 Millionen“ Franken ist somit unhaltbar.

Jorgo Ananiadis, Vizepräsident der Piratenpartei Schweiz dazu: „Wir empfinden es als beschämend und einer fairen Demokratie unwürdig, dass gestandene Politiker und insbesondere Behörden wie das Bundesamt für Justiz oder die Staatskanzlei eine derartige Studie im laufenden Abstimmungskampf als „Fakten“ präsentieren und solche schlecht belegten Daten sogar in der offiziellen Abstimmungsbotschaft verwendet werden.

Es ist für die Piraten ebenso befremdend, dass das Bundesamt für Justiz seit 2014 IP-Sperren propagiert [siehe Hypothesen der Studie] ohne Spezialisten zu befragen, im Bundesrat und Parlament anschliessend verharmlosend von „Netzsperren“ oder „Gartenzäunen“ gesprochen wird, und schliesslich im Gesetz und Verordnungsentwurf die Internet-Sperren jeglichen Ausmasses ermöglicht werden.

Die Piratenpartei sieht sich dadurch bestärkt, dass das Geldspielgesetz in der vorliegenden Form abzulehnen ist und empfielt den Stimmbürgern dasselbe zu tun.

Quellenangaben:
[1] https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/wirtschaft/gesetzgebung/geldspielgesetz/ber-unibern-d.pdf

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